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Russell A. Hulse

Russell A. Hulse

amerikanischer Astrophysiker; Nobelpreis (Physik) 1993; Prof.; Ph.D.
Geburtstag: 28. November 1950 New York-Bronx/NY
Nation: Vereinigte Staaten von Amerika (USA)

Internationales Biographisches Archiv 44/2020 vom 27. Oktober 2020 (fa)


Blick in die Presse

Herkunft

Russell Alan Hulse wurde am 28. Nov. 1950 in New York City als Sohn von Alan und Betty Joan Hulse geboren.

Ausbildung

Nach seinem Abschluss an der Bronx High School of Science studierte H. 1966-1970 Physik am Cooper Union College in New York. Nach einem Master-Abschluss (1972) an der University of Massachusetts in Amherst promovierte er dort 1975 zum Ph.D.

Wirken

PulsarforschungAls Doktorand an der University of Massachusetts suchte H. zusammen mit seinem Doktorvater Joseph Taylor am Arecibo Observatorium in Puerto Rico 1974 mit dem größten Radioteleskop der Welt den Himmel nach Pulsaren ab.

Pulsare sind Sterne, die aufgrund ihrer Eigendrehung - einem kosmischen Leuchtturm gleich - in festen zeitlichen Abständen Radiosignale aussenden. Das Leben eines Sterns beginnt in einer kühlen Wolke von interstellarem Gas und kann in einer Explosion, einer "Supernova", enden. Danach stürzt der Stern in sich zusammen; Überreste im Explosionszentrum können sich jedoch zu einem extrem hoch verdichteten Kern stabilisieren, einem "Neutronenstern", der sehr schnell um die eigene Achse rotiert. Weil er hierbei regelmäßige Lichtpulse aussendet, haben Astronomen ihm den Namen "Pulsar" gegeben. Der erste Pulsar war 1967 von dem Briten Anthony Hewish (Nobelpreis 1974) am radioastronomischen Laboratorium im englischen Cambridge entdeckt worden, wobei man hinter den empfangenen Radiosignalen zunächst sogar Lebenszeichen einer außerirdischen Zivilisation vermutete.

Während einer Routine-"Durchmusterung" empfingen H. und Taylor nach dem 40. Pulsar im Sternbild Adler plötzlich regelmäßig blinkende Radiosignale, die sich von den bisherigen Exemplaren unterschieden. Von "PSR 1913 + 16" (PSR steht für Pulsar, 1913 + 16 für seine Lage am Himmel) kamen 17 Pulse pro Sekunde, eine Frequenz, die allerdings mit einer Periode von sieben Stunden und 45 Minuten schwankte. Daraus schlossen die Forscher, dass der Pulsar sich in einer Sekunde 17mal um die eigene Achse dreht und gleichzeitig einen Begleiter, der wahrscheinlich ebenso ein Neutronenstern ist, in knapp acht Stunden umkreist. Nähert sich der Pulsar auf dieser Bahn der Erde, so kommen die Pulse in schnellerer Folge, entfernt er sich, so kommen sie seltener an. H. und Taylor waren auf einen "Doppel-Pulsar" gestoßen.

Dieser "Doppel-Pulsar", der nach seinen Entdeckern "Hulse-Taylor-Pulsar" getauft wurde, war eine wissenschaftliche Sensation und gilt als eine der wichtigsten wissenschaftlichen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts. Mit ihm sollte sich endlich eine Voraussage der Relativitätstheorie prüfen lassen, die die Physiker schon lange beschäftigte. Als Albert Einstein seine Theorie der Schwerkraft entwickelte, hatte er als Analogon die Elektrodynamik im Hinterkopf. Danach senden beispielsweise zwei sich umkreisende, elektrisch geladene Teilchen elektromagnetische Wellen aus, ein Prinzip, auf dem unsere ganze Nachrichtentechnik basiert. Konsequent auf die Schwerkraft übertragen, sollten zwei sich umkreisende Massen Gravitationswellen aussenden, die sich gleichsam als "Kräuselungen des Raumes" durchs Weltall bewegen. In der Praxis erwiesen sich Gravitationswellen allerdings als so schwach, dass sie auf der Erde lange von keinem Detektor registriert werden konnten. Die große Leistung von Taylor und H. bestand nun darin, erkannt zu haben, dass ihr Doppel-Pulsar sich als hervorragendes Labor zur Überprüfung solcher Relativitätseffekte eignete.

Da Neutronensterne keine Atmosphäre haben, gibt es auch keine Materie, die von dem einen zum anderen strömt. Der Doppel-Pulsar ähnelt daher einem System von zwei Kugeln, die sich allein durch die Schwerkraft beeinflussen. Sollten beide Objekte der Relativitätstheorie entsprechend tatsächlich Gravitationswellen aussenden, müssten sich beide Neutronensterne einander kontinuierlich annähern und ihre Umlaufzeit sich verringern. Taylor und H. stellten fest, dass sich die Umlaufzeit tatsächlich um jährlich 75 Millionstel Sekunden verringerte, ein Wert, der bis auf weniger als ein Prozent genau der Vorhersage Einsteins entsprach.

Für die Entdeckung des Doppel-Pulsares und die bei dessen Beobachtung gefundenen Hinweise auf die Existenz von Gravitationswellen wurden H. und Taylor 1993 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Weitere akademische KarriereWährend Taylor nach der Entdeckung des Binärpulsars zu einem der bekanntesten Pulsar-Spezialisten wurde, wandte sich H. anderen Fachgebieten zu. Nach seiner Promotion arbeitete er zunächst von 1975 bis 1977 am National Radio Astronomy Observatory (NRAO) in Charlottesville (Virginia) und beschäftigte sich dort weiterhin mit Radio-Astronomie. Anschließend wechselte er jedoch seine Forschungsrichtung und wurde 1977 im Labor für Plasmaphysik der Princeton University (PPPL) tätig. Dort stieg er bis zum leitenden Forschungsphysiker (Principal Research Physicist) auf (1992-2007).

In Princeton beschäftigte sich H. mit der Erstellung von Computersimulationen im Bereich der Atomphysik und des Teilchentransports und erarbeitete u. a. einen Code, der das Verhalten der verschiedenen Ladungszustände eines Verunreinigungselements unter den Einflüssen von atomaren und Transport-Prozessen im Plasma modelliert. Später entwarf er ein Computerdatenformat, das von der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) als Standard für die Zusammenstellung und den Austausch von atomaren Daten für Fusionsanwendungen herangezogen wurde.

Einen weiteren Fokus fand H. in der Vermittlung wissenschaftlicher Erkenntnisse an Laien und in der Förderung des Interesses für Wissenschaft und Forschung bei Kindern und der allgemeinen Öffentlichkeit. Naben seiner Arbeit am PPPL wurde er 2004 zunächst Gastprofessor an der University of Texas in Dallas (UTD) mit dem Schwerpunkt naturwissenschaftliche Bildung. 2007 beendete er seine Arbeit für das PPPL und wechselte als Regental Professor an die UTD. Dort wurde er Gründungsdirektor des Science and Engineering Education Center, das verschiedene Programme für Bildungsmaßnahmen und Materialien für Büchereien und Wissenschaftszentren entwickelt.

Familie

H. und seine Ehefrau Jeanne Kuhlman kennen sich seit Studienzeiten. Um ihr näher zu sein, bewarb sich H. 1977 an der Princeton University, da sie damals in Philadelphia studierte. 2012 wurde bei ihm die Parkinson-Krankheit diagnostiziert. Zu seinen Hobbys zählen die Naturfotografie, Vogelbeobachtung und weitere Outdoor-Aktivitäten.

Auszeichnungen

Auszeichnung: Nobelpreis für Physik (93; zus. m. Joseph Taylor).

Mitgliedschaften

Mitgliedschaft: Mitglied der American Physical Society und der American Astronomical Society.

Adresse

c/o University of Texas at Dallas, School of Natural Sciences and Mathematics, 800 West Campbell Road, Richardson, TX 75080-3021, U.S.A., Tel.: +1 972 883-2111, E-Mail: russell.hulse@utdallas.edu



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