Teddy Kollek
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Internationales Biographisches Archiv
Theodor "Teddy" Kollek wurde im Dorf Nagyvaszony bei Budapest geboren, wuchs aber in Wien auf. Die Eltern hatten Wurzeln im tschechischen Mähren, ein Großvater war Rabbiner. Der Vater war Direktor der Rothschild-Bank in Wien und diente im Ersten Weltkrieg als k.u.k. Offizier. Als Zionisten wählten seine Eltern K.s Vornamen nach Theodor Herzl (1860-1904), der die wachsende Auswanderung nach Palästina (Alyia) systematisiert und die Idee für einen jüdischen Staat dort auf die politische Agenda gebracht hatte.
Als Elfjähriger schloss sich K. in Wien der zionistischen Jugendorganisation T'khelet-Lavan (Blau-Weiß) an. Später wirkte er auch in der Halutz-Bewegung mit, die Siedler nach Palästina brachte und dort als deren Vertreterin Kollektivsiedlungen (Kibbutz) für die agrarische Erschließung organisierte. K. bereitete sich ab Mitte der 20er Jahre auf die Auswanderung vor und absolvierte nach dem Schulabschluss 1930 eine Ausbildung zum Bauer. Da die britische Mandatsmacht in Palästina die wachsende Einwanderungswelle wegen Spannungen mit der islamischen Bevölkerung reglementierte, erhielt K. zunächst kein Visum. Daher engagierte er sich europaweit für T'khelet-Lavan, warb für die Auswanderung und organisierte Trainingslager. 1932 geriet er bei einem Aufenthalt in Dortmund mit NS-Schlägern aneinander. 1935 kam K.s Familie mit einem Visum legal nach Haifa.
K. gehörte 1937 mit seiner Frau zu den Mitgründern des Kibbutz Ein Gev am Ostufer des Sees Genezareth, stieg zum Muchthar (Ortsvorsteher) auf und wurde - dank seines gewandten Auftretens - Kontaktmann zu Briten und Arabern. Wie die anderen Männer im Kibbutz schloss sich K. der über die Gewerkschaftsbewegung Histadrut organisierten Siedlerarmee Haganah an, deren Einheiten Offensiven der Palästinenser zurückschlugen. Ab 1938 unternahm K. mehrere Missionen in Europa und plante für He-Halutz von London aus Flucht-Aktionen, um Juden aus dem Einflussbereich der NS-Diktatur zu retten. Erschwert wurde dies durch das weitgehende Immigrationsverbot der Briten, das die Zionisten freilich durch illegale Einwanderung unterliefen. 1939 ging K. nach Wien und erreichte beim zuständigen SS-Schergen Adolf Eichmann die Entlassung 3.000 jugendlicher Juden aus KZ-Haft. Dies gelang ihm, weil er Dokumente vorlegte, in denen die Juden für Arbeitseinsätze in der britischen Landwirtschaft angefordert wurden. In London lernte K. 1940
Nach Kriegsende baute K. illegale Einwanderungs-Büros in Frankreich auf. 1947 ging er in die USA, um dort Waffen zu kaufen und unter Umgehung des Embargos zu verschiffen. Hintergrund bildete die von der UNO beschlossene Teilung Palästinas, um die Gründung des Staates Israel zu ermöglichen. Beides lehnten die Araber ab. Israel behauptete sich auch dank der Waffenlieferungen gegenüber der Offensive seiner Nachbarn, die am Tag nach der Staatsgründung (14. Mai 1948) losbrach. K. setzte seine Arbeit im nunmehrigen Verteidigungsministerium fort, das Ben-Gurion als Ministerpräsident zusätzlich betreute. Danach leitete K. die Nordamerika-Abteilung im Außenministerium und wurde 1950 Botschafter in Washington. K. bewährte sich dort einmal mehr mit seinem Talent, Finanzquellen für den damals ohne Auslandshilfe nicht lebensfähigen Staat zu erschließen.
1952 berief Ben-Gurion K. zum Generaldirektor des Büros des Premierministers, das K. bis Jan. 1965 und damit auch während des Intermezzos von Moshe
Auf Wunsch von Ben-Gurion trat K. im Nov. 1965 für dessen neu gegründete Mapai-Absplitterung Rafi bei den Wahlen zum Bürgermeister von Jerusalem an. K. gewann mit einem Stimmenanteil von 20,4 % im Rat fünf Sitze, sicherte sich über eine Koalition die Mehrheit und löste den amtierenden Mapai-Bürgermeister ab. Bei den folgenden Kommunalwahlen behauptete er sich jeweils souverän, ab 1978 im Rahmen der neu eingeführten Direktwahl. K.s baldige Popularität beruhte auf seinem leidenschaftlichen Einsatz für Jerusalem vor Ort und als Fürsprecher weltweit. Seine pragmatische und hemdsärmelige Art bei der Lösung konkreter Fragen lernten die Einwohner aller religiöser Schattierungen besonders auf K.s täglichen frühmorgendlichen Rundgängen durch unterschiedliche Stadtviertel kennen.
Als K. Ende 1965 sein Amt antrat, war Jerusalem eine geteilte Stadt, wobei die Mauer unmittelbar beim Rathaus verlief. Der jüdische Westteil bestand aus einer unterentwickelten Provinzsiedlung, die seit der Teilung nach dem Unabhängigkeitskrieg von der Altstadt und Ost-Jerusalem getrennt war. 1948 hatte Jordanien den Ostteil und Israel den Westen annektiert. Dieses Faktum hatten die UNO-Mitglieder 1952 anerkannt und damit den zuvor anvisierten internationalen Status der Stadt aufgegeben. Während des Sechs-Tage-Krieges im Juni 1967 bombardierten die angreifenden Nachbarstaaten West-Jerusalem, wenig später besetzte Israel die Stadt dann ganz. Ab 1967 gehörten die östlichen Viertel ohne eine formelle Annektierung zum Gebiet der Jerusalemer Kommunalverwaltung. 1980 bestimmte die Parlamentsmehrheit in der Knesset unter der konservativen Regierung
Ungeachtet der Fragen um den Status ließ K. noch 1967 die Mauern zwischen beiden Stadtteilen niederreißen. Er schlug der UNO damals auch vor, ihr Hauptquartier von New York nach Jerusalem zu verlegen. Als "Superb pragmatist" (Jerusalem Post, 2.1.2007) machte sich K. keine Illusionen, hielt ein Zusammenleben der Religionen unter geordneten Verhältnissen aber für möglich. Dank seiner regelmäßigen Präsenz vor Ort betrachteten ihn auch die Vertreter der Muslime als Garanten für die Einheit der Stadt. Immerhin erreichte es K., dass Jerusalem - die heilige Stadt dreier Religionen - für alle Gläubigen zugänglich wurde, was zuvor nicht gewährleistet war. Deshalb lehnte K. auch Forderungen nach einer Internationalisierung der Stadt mehrfach ab. K. kritisierte zwar orthodoxe Juden, die aus Gründen der Provokation in muslimische Viertel zogen, ließ seinerseits aber Wohngebiete für fast 160.000 Israeli rund um die arabische Altstadt bauen. Als Bürgermeister schlichtete K. auch innerjüdische Konflikte. Entsprechend entstanden für die säkularen Gruppen Sportstätten, und im Interesse der orthodoxen Juden erließ K. in entsprechenden Vierteln eine strikte Sabbath-Ruhe.
Als K. Stadtoberhaupt des wiedervereinten Jerusalems wurde, zählte die Stadt 1967 addiert 260.000 Einwohner, davon ein Viertel Muslime. Kommunalpolitisches Hauptproblem bildeten mangelnde wirtschaftliche Perspektiven, was an der Vielzahl religiöser und archäologischer Plätze sowie an der Grenzlage zwischen Israel und den Palästinenser-Territorien lag. Infolgedessen gab es kaum Raum für Industrie. Daher setzte K. auf weitere Touristik-Projekte. Zu diesem Zweck hatte er schon 1966 die Jerusalem Foundation gegründet, über deren Spendengelder - bis 1993 addiert 300 Mio. US$ - K. Neubauten, Sanierungsprojekte und Einrichtungen finanzierte, ohne vom Stadtrat abhängig zu sein. Reputation brachten auch zahlreiche international renommierte Architekten und Künstler, die für Jerusalem wirkten, und die Tatsache, dass K. das archäologische Erbe trotz Neubauten wahren konnte. Im Westen entstand 1972 ein Theater und sogar ein Grüngürtel mit mehreren Parks. Die völlig marode Infrastruktur im Ostteil verbesserte K. mangels fehlender Mittel nicht in gleichem Maße. Als K. 1993 aus dem Amt schied, gab es in Jerusalem fast 600.000 Einwohner. Da K. Jerusalem so nachhaltig modernisiert hatte, zählten ihn seine Freunde in einer Gesamtschau der dreitausendjährigen Stadtgeschichte neben David, Herodes und Suleiman zu den großen Bauherrn.
Unter K. galt Jerusalem lange Zeit als ruhige und sichere Stadt. K. hielt an seinem Lebenswerk, dem friedlichen Nebeneinanderleben, auch nach Beginn des Aufstandes der Palästinenser in den besetzten Gebieten (Intifada) ab Ende 1987 fest. In diesem Umfeld wurde K. bei den Kommunalwahlen 1989 zuletzt zwar mit 59 % der Stimmen bestätigt. Allerdings verlor seine mit der Arbeitspartei identifizierte Liste "Ein Jerusalem" die Mehrheit im Rat. Als erster führender israelischer Politiker befürwortete K. 1990 eine UNO-Untersuchung des Blutbads an Muslimen auf dem Tempelberg, eine Position, welche die Mehrheit seiner Wähler nicht teilte. Ende 1992 lehnte K. eine weitere Kandidatur öffentlich ab. Allerdings fehlte ein geeigneter Nachfolger aus Reihen der Arbeitspartei, weshalb deren Führung K. zu einer erneuten Kandidatur drängte. Dies fand auch parteiintern ein eher zwiespältiges Echo, zumal viele in K. inzwischen eine Art Denkmal sahen. Wie allgemein erwartet, verlor K. im Nov. 1993 das Bürgermeisteramt mit 34,8 % der Stimmen an den Likud-Politiker
K. widmete sich nach 1993 bis ins höchste Alter der Jerusalem Foundation, für die er wichtigster Fundraiser blieb. Ein noch von K. betreutes großes Projekt bildete beispielsweise die Sanierung der Via Dolorosa. Rückblickend gestand K. ein, dass für die Araber im Osten Jerusalems auch unter seiner Führung deutlich weniger als für die jüdischen Einwohner investiert wurde. Angesichts der zweiten Intifada sprach er sich 2002 dafür aus, den Palästinensern die Souveränität über weite Teile des Ostteils von Jerusalem zu übertragen. Als grundlegendes Problem für die Stadt bezeichnete er die seit den 90er Jahren zunehmende Orthodoxie unter Juden und Muslimen in Jerusalem. Einen wirklichen Frieden zwischen diesen Religionen über die bloße Koexistenz hinaus erwartete K. daher erst nach sechs bis acht Generationen (vgl. SZ, 26.5.2001).
K. war seit 1937 mit der Rabbinertochter Tamar Anna Schwartz verheiratet. Sohn Amos wurde Fernseh-Regisseur, Tochter Osnat Malerin. K. liebte Archäologie sowie Antiquitäten und alte Landkarten über Israel. Er starb im Jan. 2007 im Alter von 95 Jahren und wurde mit einem Staatsbegräbnis auf dem Herzlberg beigesetzt.
Veröffentlichungen: "Jerusalem. A History of Forty Centuries" (69), "Pilgrims to the Holy Land. The Story of Pilgrimage Through the Ages" (69), "My Jerusalem; Twelve Walks in the World's Holiest City" (Co-Autor), "Ein Leben für Jerusalem" (78; mit
Christian Hauck: "Wohnungsbau in Jerusalem zwischen Sechs-Tage-Krieg und Camp David. Die Ära Teddy Kollek und Meron Benvenisti 1967-1978" (04).
Ehrungen (u. a.): Rothschild Medal (75), Bublick Preis (75), Romano-Guardini-Preis (76), Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (85), Franklin-D.-Roosevelt-Freiheitsmedaille (88), Israel-Preis (88), Moses-Mendelssohn-Preis (90), Toleranzpreis der Stadt Münster (96), Ehrenbürger Wiens (01) sowie Ehrendoktorate (Hebräische Universität, Notre Dame University, Brown University, Harvard University, Ben-Gurion-Universität, Universität Tel Aviv).
Letzte Adresse: Internet: www.jerusalemfoundation.org