Bruno Simma
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Internationales Biographisches Archiv
Bruno Simma, kath., wurde am 29. März 1941 im saarländischen Quierschied als Sohn eines Arztes geboren. Seine Familie zog wenig später ins westösterreichische Bludenz in Vorarlberg, wo er aufwuchs.
Nach der Matura (Abitur) am Realgymnasium in Bludenz und Militärdienst im österreichischen Bundesheer studierte S. ab 1962 an der Universität Innsbruck Rechtswissenschaften. 1966 promovierte er, und 1972 folgte dort auch die Habilitation bei Heinrich Kipp.
1967 war S. kurze Zeit an Innsbrucker Gerichten tätig.
Akademische StationenNoch 1967 begann S. seine wissenschaftliche Laufbahn als Assistent an der Universität Innsbruck. 1971 wurde er dort Universitätsdozent und erhielt die "Venia legendi" für Völkerrecht und Internationale Beziehungen. 1973 wechselte er an die Universität München, der er bis zu seiner Pensionierung 2006 verbunden blieb, und übernahm den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht sowie Europarecht. Er wurde später auch Vorstand des Instituts für Völkerrecht. 1995-1997 leitete er die Juristische Fakultät als Dekan. Darüber hinaus übte er Verpflichtungen an Universitäten im Ausland aus. So war er 1976 und 1982 an der Haager Akademie für Internationales Recht tätig, wo er auch 1995 und 2009 Vorlesungen hielt (2009 den „General Course“). Eine Gastprofessur führte ihn nach Siena (1984/1985). Eng gestaltete sich die Partnerschaft mit der Law School der University of Michigan in Ann Arbor, wo er neben Gastprofessuren (1986, 1995) von 1988 bis 1992 als Professor in Teilzeit und ab 1997 als Affiliate Overseas Professor wirkte; 2012 wurde er dort zum Professor of Law ernannt. Über seine Arbeiten etablierte sich S. als Autorität in Fragen des Völkerrechts, vor allem zu Fragen zu dessen Erzeugung, zum weltweiten Schutz der Menschenrechte und zur Problematik der Anwendung militärischer Gewalt auf zwischenstaatlicher Ebene. 2006 wurde S. an der Universität München in den Ruhestand versetzt.
Weitere Tätigkeiten als VölkerrechtsexperteÜber die universitäre Ebene hinaus wirkte S. verschiedentlich ab 1972 als juristischer Berater für den Europarat. Zudem betreute er 1981-1989 in Bonn die völkerrechtliche Ausbildung der Attachés beim Auswärtigen Amt. Dieses verpflichtete ihn auch für seinen völkerrechtlichen Beirat sowie den Beirat für politische Fragen die UNO betreffend. Zudem beriefen ihn internationale Institutionen in ihre Expertengremien. Bei der UNO gehörte er 1987-1996 dem Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte an und war von 1997 bis 2002 Mitglied in der Völkerrechtskommission. Unabhängig davon wurde er Schiedsrichter am Internationalen Sportschiedsgerichtshof (CAS). Von 1994 bis 2002 vertrat er die Republik Kamerun erfolgreich vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in einem Prozess gegen Nigeria, der die Grenzziehung zwischen den beiden Ländern behandelte. Die Bundesrepublik vertrat S. ab 1999 in einem Prozess vor dem IGH gegen die USA. Anlass war die Hinrichtung der beiden Brüder und deutschen Staatsangehörigen Karl und Walter LaGrand, die bei einem Bankraub in Arizona einen Mord begangen hatten und in deren Strafprozess die Wiener Konsularkonvention verletzt worden war. Das Urteil erging 2001 zugunsten Deutschlands.
Stellungnahmen zu internationalen KonfliktenMehrfach äußerte sich S. in den Medien zu zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen aus der Sicht des internationalen Rechts. So bezeichnete er die 1999 erfolgte Intervention des Westens (unter deutscher Beteiligung) im Kosovo ohne vorhergehende Billigung des Sicherheitsrates als eine "lässliche Sünde" und verwies auf die Massenvertreibungen durch die Serben (SZ, 23.10.2002). Allerdings - so S.s Hinweis - dürfe eine "Selbstermächtigung der NATO" nicht zur Regel werden (vgl. FAZ, 28.7.2010). Angesichts der Politik der USA und Großbritanniens, die Invasion des Irak 2003 nicht von einem Votum des UN-Sicherheitsrats abhängig zu machen, sah er hingegen das Gewaltverbot der UN-Charta in Gefahr (vgl. SZ, 1.2.2003).
Richter am Internationalen GerichtshofIm Febr. 2003 trat S. sein Amt als Richter am Haager Internationalen Gerichtshof (IGH), dem richterlichen Hauptorgan der UNO, an. Bei der Neuberufung von fünf der 15 Richter hatten ihn die UN-Generalversammlung und der Sicherheitsrat 2002 gewählt. S. erhielt bei dem nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffenen IGH ein Mandat für neun Jahre. In dieser Funktion beschäftigte sich S. erneut mit dem Kosovo, als es 2010 um die Frage ging, ob die einseitige Unabhängigkeitserklärung der serbischen Provinz im Jahre 2008 völkerrechtlich gültig erfolgt sei. In einer Stellungnahme zum Urteil, in dem der IGH diesen Schritt mehrheitlich billigte, bedauerte S., dass der IGH sich nicht zu einer umfassenderen Klärung der Fragen um die Rechtfertigung einer Sezession geäußert habe (vgl. FAZ, 28.7.2010).
Spätere Ämter und StellungnahmenIm Herbst 2012 kehrte S. als Professor of Law in Teilzeit an die Michigan Law School zurück.
Zum 1. Dez. 2012 rückte S. zudem als Richter/Schiedsrichter in das Iran-United States Claims Tribunal ein. Diese Institution war 1981 entstanden, um juristische Auseinandersetzungen zwischen den beiden Staaten oder deren Bürger im Gefolge der Geiselnahme von US-Diplomaten in Teheran und der darauffolgenden Sanktionen gegen den Iran zur regeln. Neben seiner Tätigkeit an diesem Tribunal, wie auch schon vorher am IGH wirkte S. als Schiedsrichter in einer Reihe von zwischenstaatlichen Streitigkeiten mit (Belgien/Niederlande; Pakistan/Indien; Argentinien/Ghana; Malaysia/Singapur und zuletzt Kroatien/Slowenien). Daneben ist er in zahlreichen Investitionsstreitigkeiten als Schiedsrichter tätig.
Vereinzelt nahm S. weiterhin zu einigen völkerrechtlichen Kontroversen Stellung. So bezeichnete er die 2014 erfolgte Annexion der Halbinsel Krim als völkerrechtlich nicht zu rechtfertigen, charakterisierte sie aber vor dem Hintergrund der russischen Geschichte und der Interessenlage Moskaus am Schwarzen Meer als historisch nachvollziehbar. Allerdings verwies er darauf, dass Moskau bei der Wahrnehmung seiner Interessen nicht dem Völkerrecht gemäß über den UN-Sicherheitsrat vorgegangen sei, sondern unilateral Tatsachen geschaffen habe (vgl. SPIEGEL, 7.4.2014).
S. ist in zweiter Ehe mit Maria Magdalena Hiederer verheiratet. Aus erster Ehe hat er zwei Töchter, Ruth und Eva. Er liebt Schiffe, Bergwandern, Italienreisen und gutes Essen.
Veröffentlichungen (u. a.; M = Mitautor): "Das Reziprozitätselement in der Entstehung des Völkergewohnheitsrechts" (70), "Das Reziprozitätselement im Zustandekommen völkerrechtlicher Verträge" (72), "Universelles Völkerrecht" (76; M), "Menschenrechte für Deutsche in Osteuropa - Ihre völkerrechtliche Durchsetzung" (80; M), "Der internationale Schutz der Menschenrechte. Möglichkeiten und Grenzen" (89), "Die koloniale Grenzziehung in Afrika im Lichte der Verfassungsrechtsordnung des deutschen Kaiserreichs" (99; M), "Kompetenzen und Grundrechte. Beschränkung der Tabakwerbung aus der Sicht des Europarechts" (99; M), "The International Legal Consequences of Violations of Human Rights" (00; M), "The International Community. Facing the Challenge of Globalization" (01; M), "NATO, the UN and the Use of Force. Legal Aspects" (02), "Einsatzmöglichkeiten für Streitkräfte im Rahmen der Vereinten Nationen" (02; M).
Herausgeber/Mitherausgeber: "International Protection of the Environment" (75-83), "Zwischen Intervention und Zusammenarbeit" (79), "Menschenrechte. Ihr internationaler Schutz" (79; 10. Auflage 10); "50 Fälle zum Europarecht" (85), "United Nations Codification of State Responsibility" (87), "Charta der Vereinten Nationen. Kommentar" (90), S. ist Mitbegründer und Mitherausgeber der Zeitschrift "European Journal of International Law".
Auszeichnungen: Vorarlberger Wissenschaftspreis (05), Manley O. Hudson Medal (13; American Society of International Law), Bundesverdienstkreuz 1. Klasse (14).
Weitere Ämter: Gründungsmitglied und erster Präsident der European Society of International Law; assoziiertes Mitglied des Institut de droit international; Mitglied des Rates der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht (89-93 stellv. Vorsitzender), der American Society of International Law; Präsidium Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN).
c/o Iran-United States Claims Tribunal, Parkweg 13, 2585 JH Den Haag, Niederlande, Tel.: +31 70 3520064, E-Mail: registry@iusct.org, Internet: https://iusct.com