Geburtstag: | |
Nation: | Italien |
von Hermann H. Wetzel
Stand: 01.06.2011
Der Titel von Magrellis Valéry-Buch (“Vedersi, vedersi”; 2002) könnte auch als Motto über seinem eigenen Schaffen stehen, das von der Selbstbeobachtung und vom genauen Hinsehen ausgeht. Vom Beginn der abendländischen Kultur an gehört das Sehen (sowie sein Gegenteil und seine paradoxe Steigerungsform, die Blindheit) zu den zentralen Themen der Dichtung und der Philosophie. Magrelli beruft sich ausdrücklich auf die Vorsokratiker, wenn er im Nachwort zur dritten Auflage von “Ora serrata retinae” (1989) sehen und denken als Einheit sieht. Doch Magrelli ist nicht so naiv zu glauben, man könne die Aporien moderner Dichtung vergessen, ‘tabula rasa’ machen und so tun, als genüge es, ‘einfach’ genau hinzusehen, um sich selbst, den Dingen und Sachverhalten näher zu kommen.
Auch wenn sich die Texte zunächst überwiegend schlicht und sprachlich unkompliziert präsentieren, so ist sich Magrelli durchaus der Schwierigkeiten sprachlicher Vermittlung bewusst. Typisch für seine Art zu dichten und zu denken ist es, vom Sprachmaterial auszugehen und zu versuchen, aus dem in ihm gespeicherten Wissen und den von ihm ausgelösten Assoziationen eine vertiefte Sicht auf die Welt zu gewinnen: So reizt ihn etwa die Annahme ...