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Nation: | Algerien |
von Irmgard Scharold
Stand: 01.06.2005
Rachid Boudjedra kann mit Recht als das enfant terrible der algerischen Literatur betrachtet werden. Sein erster Roman “Die Verstoßung”, 1969 erschienen und im folgenden Jahr mit dem von Jean Cocteau gestifteten “Prix des Enfants terribles” ausgezeichnet, thematisierte als erster Roman des Maghreb sieben Jahre nach der Unabhängigkeit des Landes die algerische Gesellschaft der nachkolonialen Phase. Dass Boudjedras Debütroman als schockierend empfunden wurde, überrascht nicht, rührte er doch an die traditionellen Tabus einer patriarchalen, feudalistisch strukturierten Gesellschaft, in der die in 132 Jahren französischer Fremdherrschaft erworbenen Mechanismen der Unterdrückung fortbestanden.
Hauptantriebsfeder und Zielpunkt seiner Kritik war und blieb das eklatante Missverhältnis zwischen ökonomischer Entwicklung und einem in archaischen Strukturen verharrenden reaktionären gesellschaftlichen, religiösen und moralischen Bewusstsein. Im Mittelpunkt seines gesamten Werks stehen die Parias der Gesellschaft: Frauen, Kinder, Homosexuelle, Andersgläubige; sein obsessiv wiederkehrendes Thema ist die Unterdrückung der Sexualität und die mit ihr verbundene Verachtung der Frau. Was die arabische Gegenwartsliteratur kennzeichnet, ist nach Boudjedra eine “Abwesenheit des Körpers”. Der Körper und damit verbunden das Sexuelle sind “der Nichtort”, “das Nichtgesagte”, das Tabu schlechthin. Die Sprachlosigkeit des Körpers zu überwinden, ist sein wesentliches ...