Von Elvira Grözinger
Im Jahre 1918 erlangten die Polen ihren ersten unabhängigen Staat seit 1772. Damals war mit der ersten Teilung durch Österreich, Rußland und Preußen das Ende der polnischen Souveränität eingeleitet und mit der dritten Teilung 1795 die Auflösung des Staates besiegelt worden; die Aufstände gegen die fremden Machthaber (1830/31, 1848, 1863) waren gescheitert. Nun galten die fernen hundert Jahre zwischen 1520–1620 als das “Goldene Zeitalter” Polens, als Zeit der Blüte von Kultur und Literatur in polnischer Sprache. Vor dieser Zeit, vom 10.Jahrhundert bis zur Renaissance, war die Schrift-Sprache Polens ausschließlich das Lateinische gewesen. Die Anfänge der polnischsprachigen Literatur waren Übersetzungen – darin unterscheidet sie sich von den übrigen europäischen Literaturen. Erst während der Aufklärung, am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts, ließ die polnische Literatur wieder ein schöpferisches Potential erahnen, das in der Romantik erneut wirksam wurde und im 20. Jahrhundert einen Höhepunkt erreichte, der noch anhält.
Die RomantikDie polnische romantische Bewegung, die um 1820 aus einer den deutschen Burschenschaften vergleichbaren Jugendbewegung heraus entstand, war eine unmittelbare Wegbereiterin der polnischen Literatur des 20.Jahrhunderts. Es gab Verbindungen zwischen den polnischen Romantikern und den russischen Dekabristen, gemeinsam lehnten sie ...